Lebenszyklus-Management bei Tiefgaragen

Trialog: Hr. Haase / Hr. Dr. Lay / Hr. Fritsche

 

Hr. Steffen Haase
Hausverwaltung
Geschäftsführer der Haase & Partner GmbH Immobilienverwaltung

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften folgten Weiterbildungen zum Sachverständigen für bebaute und unbebaute Grundstücke, Mieten, Pachten und Hausverwalterleistungen sowie Zwangsverwaltung von Immobilien.

Auf Grundlage langjähriger Erfahrungen auf diesen Gebieten ist er als Dozent für Mietrecht und Wohnungseigentum tätig. Ergänzend stellt er seine Erfahrung der Öffentlichkeit in Fachpublikationen und Büchern zur Verfügung. Seine Verbandstätigkeiten runden das Bild eines Allrounders in der Immobilienverwaltung ab.

  • Stv. Vorsitzender des Verbandes der Immobilienverwalter Bayern e.V.
  • Vizepräsident des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter e.V.
  • Vorstandsmitglied im Ständigen Deutschen Schiedsgericht für Wohneigentum e.V.

 

Hr. Dr.-Ing. Sascha Lay
Planer
Geschäftsführender Gesellschafter der concrete concepts Ingenieurgesellschaft mbH

Nach dem Bauingenieurstudium in Aachen promovierte Herr Dr. Lay am Lehrstuhl für Baustoffkunde und Werkstoffprüfung der TU München zum Thema „Abschätzung der Wahrscheinlichkeit tausalzinduzierter Bewehrungskorrosion – Baustein eines Systems zum Lebenszyklusmanagement von Stahlbetonbauwerken“. Hierfür erhielt er den renommierten Förderpreis Beton der CEMEX Deutschland AG sowie den Dr. Klaus Seppeler Stiftungspreis der Gesellschaft für Korrosionsschutz. Von 2004 bis 2006 war er als Baustofftechnologe der F+E-Abteilung für die Pfleiderer Infrastrukturtechnik GmbH tätig.

2006 gründete er die concrete concepts Ingenieurgesellschaft mbH (gemeinsam mit zwei Kollegen). Es erfolgte die öffentliche Bestellung und Vereidigung zum Sachverständigen für „Betontechnologie, Schäden an Beton und Stahlbeton, zerstörungsfreie Prüfung und Instandsetzung von Stahlbeton“.

Nach 10 Jahren Praxiserfahrung kennt Herr Dr. Lay sämtliche Tücken der Bauwerksuntersuchungen, der Planung von Instandsetzungsmaßnahmen und die Bedürfnisse der Hausverwaltungen nach kostenoptimierten Betreibermodellen und Instandsetzungen.

 

Hr. Jürgen Fritsche
Ausführendes Unternehmen
Geschäftsführer der Hydro-Tech GmbH

1989 gründete Jürgen Fritsche die Firma Hydro-Tech GmbH. Nach und nach machte er sich die unterschiedlichsten Technologien zu eigen: 1999 Einführung der Hydro-Tech Gelinjektion zur Abdichtung von Bauwerken. 2000 Einführung der Höchstdruck-Wasserstrahl-Technik zum schonenden Betonabtrag mit der Handlanze und Wasserdrücken bis 2500 bar. 2012 Einsatz eines HDW-Roboters zum flächigen Betonabtrag. 2014 Erweiterung der HDW-Ausstattung um einen weiteren HDW-Roboter.

Inzwischen hat sich die Hydro-Tech GmbH zum Spezialisten für Beton- und Bausanierung weiterentwickelt und ist weit über die Grenzen Süddeutschlands hinaus bekannt. Die Hydro-Tech GmbH sammelte in den letzten 27 Jahren Erfahrungen in allen Anwendungsbereichen der Sanierung beginnend vom Kirchturm, über das Olympia-Stadion bis zu Tiefgaragen u.v.m..

Täglich wird der Geschäftsführer mit dem Kostendruck der Auftraggeber wie Hausverwaltungen und öffentliche Einrichtungen konfrontiert und versucht mit seinem Team den Spagat zwischen „Günstigster Anbieter“ und „Sanierung nach den anerkannten Regeln der Technik“ zu meistern.

 

Motivation des Interviews…

…ist es, den Sinn oder Unsinn eines Lebenszyklusmanagements bei Park- und Tiefgaragen in Stahlbetonbauweise im Trialog vor dem Hintergrund der Kosteneinsparung während der geplanten Restnutzungszeit, der Umsetzbarkeit und den Sicherheitsreserven bei der Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit aus allen Blickrichtungen zu eruieren.

Eine wesentliche Neuerung der „neuen Instandhaltungs-Richtlinie des DAfStb“ ist die Angabe der Restnutzungsdauer in jedem Instandhaltungsplan. Der sogenannte „Abnutzungsvorrat“ stellt sicher, dass der IST-Zustand zum Zeitpunkt X innerhalb der geplanten Nutzungsdauer den Mindest-SOLL-Zustand übertrifft und somit die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Bauteile gewährleistet ist. Die neue Richtlinie enthält zur vereinfachten Abschätzung der Restnutzungsdauer Nomogramme, welche auf dem Fickschen Diffusionsgesetz beruhen.

Ein an das jeweilige Objekt angepasstes Lebenszyklusmanagement berücksichtigt nicht nur die Diffusionsgesetze, wie die o. g. Nomogramme, sondern umfasst auch das kapillare Saugen des Betons. Vor allem aber beschreibt es die Realität aufgrund der vorausgegangenen Bauwerks- und Materialuntersuchungen wesentlich genauer, so dass die Restnutzungsdauer und somit der Instandsetzungsaufwand mit deutlich größerer Sicherheit angegeben werden können.

Aussagen und Potential des Ingenieurmodells
Erst Mitte der 90er Jahre ist nach Auftreten von tragsicherheitsrelevanten Schäden durch Chloride in Park- und Tiefgaragen das Bedürfnis nach vollflächigen Beschichtungen der Park- und Verkehrsflächen sowie aufgehenden Bauteile aufgekommen. Dies wurde dann auch in die Regelwerke DBV-Merkblatt und die Richtlinie „Schutz- und Instandsetzung“ des DAfStb aufgenommen und bauaufsichtlich eingeführt.

Die bis dahin gebauten Garagen sind nun 20 bis 40 Jahre alt und sanierungsbedürftig. Zur Sicherung der Tragfähigkeit von Stützen, Wänden, Decken und auch Bodenplatten ist hier häufig ein massiver Abtrag des chloridkontaminierten Betons erforderlich, was mit einem hohen Kostenaufwand und langen Sperrzeiten der Garagen für die Nutzung (Bearbeitungs-, Erhärtungs- und Trocknungszeit) einhergeht.

Mittels eines Ingenieurmodells zum Eindringen der Chloride in den Beton nach dem sogenannten „Hucke-Pack-Transport“ (Chloride gelöst im Schmelzwasser) soll nach Feststellung des IST-Zustandes der Abnutzungsvorrat der Stahlbetonbauteile (verbleibender Zeitraum bis zur Gefährdung der Tragsicherheit) prognostiziert werden. Das Ingenieurmodell setzt jedoch ein rissfreies Betonbauteil voraus. Risse im Beton kämen bezüglich dem Eindringen der Chloride dem „Öffnen eines Scheunentores“ gleich. Das tausalzhaltige Wasser dringt in den Stahlbeton (ohne Beschichtung) ein und erreicht je nach Betonqualität und Dicke der Betondeckung früher oder später die Bewehrung. Ab einer gewissen Chloridkonzentration an der Bewehrung fängt diese an zu rosten und wird immer dünner. Herr Dr. Lay hat in seiner Promotion ein Transportmodell entwickelt, womit man den Eintrag von Tausalz in den Beton und damit die Konzentration an der Bewehrung in Abhängigkeit von der Betonzusammensetzung, der Betondeckung und den Umgebungsbedingungen über die Zeit prognostizieren kann. Das Ergebnis ist der Flächenanteil mit beginnender Korrosion über die Zeit (siehe Bild 1, Seite 16).

Dieses Modell ist auf der sicheren Seite auch anwendbar, wenn ein Tausalzeintrag schon stattgefunden hat und man die Betonoberfläche nachträglich beschichtet. Das Tausalz wird sich aufgrund der Diffusion im Beton trotzdem von außen nach innen zur Bewehrung hin bewegen. Es lässt sich auch berechnen, wie groß die Betondeckung sein muss, damit der Flächenanteil mit Korrosion auf ein akzeptables Maß begrenzt wird. Liegt die erforderliche Betondeckung vor, wird das Tausalz den Stahl nicht oder in unkritischer Konzentration während der betrachteten Lebensdauer erreichen. Auf diese Weise lassen sich Flächen mit zukünftig zu erwartender Korrosion während einer betrachteten Restlebensdauer ausweisen. Diese müssen dann bearbeitet werden. In allen anderen Bereichen muss kein Betonabtrag erfolgen, worin das enorme Einsparpotential steckt.

Somit erlaubt das Ergebnis des Ingenieurmodells dem Hausverwalter ein Lebenszyklusmanagement der Immobilie. Das heisst, er kann ausreichend früh – Zeithorizont: 10 bis 20 Jahre – die für die Instandsetzung erforderlichen Rücklagen bilden. Auf diese Weise kann er auf die Erhebung einer Sonderumlage verzichten. Die Rücklagenbildung bei großen Wohnanlagen mit ca. 100 Einheiten beträgt im Jahr 50 bis 80 000 € (Mittelwert große Hausverwaltung). Eine genauere Prognose des Zeitraumes (Lebenszyklusmanagement-System) in Kombination mit einer Kostenschätzung der nächsten Sanierung (Erfahrungswerte ausführendes Unternehmen) ermöglicht eine bedarfsgerechte Festlegung der Rücklagenbildung.

Wird bei Durchführung des jährlichen Wartungsplanes die Ertüchtigung von Verschleißerscheinungen (Risse und Abplatzungen in der Beschichtung, Ablösung der Hohlkehle von aufgehenden Bauteilen, Verstopfen von Entwässerungseinrichtungen, Risse des Fugendichtstoffs) durchgeführt, so behält das Ingenieurmodell mit den ermittelten Sicherheiten auch über längere Zeiträume seine Gültigkeit. Sollten z. B. Risse nicht zeitnah nach der Entstehung behandelt oder Beschichtungen nicht ausgebessert werden, so beschleunigt sich natürlich der Schädigungsprozess. In Rissen ist der Korrosionsfortschritt nicht ohne weiteres zielsicher prognostizierbar. Demzufolge ist bei gerissenen Bereichen häufig ein Betonabtrag (Prinzip R-Cl) erforderlich.

Sollte die seitens des Auftraggebers gewünschte Restnutzungsdauer geringer sein als der prognostizierte Abnutzungsvorrat, gilt es den Schadensfortschritt über ein Monitoring oder regelmäßige Begehungen in Kombination mit einem Wartungsplan zu beobachten.

 

Kurzfassung Interview „Anwendungsbeispiel Lebenszyklusmanagement bei Park- und Tiefgaragen“

Moderation: Dr. Ingo Schachinger - ehemaliger Bauleiter Hydro-Tech GmbH (2009 bis 2013), heute technischer Berater

Frage Dr. Schachinger an J. Fritsche:
Herr Fritsche, könnten Sie mir eine möglichst konkrete Zahl zu dem Sanierungsvolumen der Hydro-Tech GmbH bezüglich Park- und Tiefgaragen in den letzten drei Jahren nennen?

Antwort J. Fritsche:
Wir haben in den letzten 3 Jahren etwa 25 bis 30 Park- und Tiefgaragen „vollflächig“ saniert. Die Garagen hatten durchschnittlich 80 Stellplätze und wurden alle vor 1995 gebaut. Je nach Objektgegebenheiten von Stützenanzahl, Anteil Verkehrsfläche bezogen auf Stellplätze, Dehnfugenprofile usw. beliefen sich die Kosten auf 3.500,- € bis 15.000,- € pro Stellplatz.

Frage Dr. Schachinger an Dr. Lay:
Können Sie als Planer diesen Kostenaufwand je Stellplatz für den Raum München bestätigen?

Antwort Dr. Lay:
Die Bandbreite des Kostenaufwandes für eine fachgerechte Sanierung ist sehr breit. Inklusive Untersuchungen, Planung und Überwachung müssen die Auftraggeber mit dem von Herrn Fritsche genannten Kostenaufwand von 3.500,- € bis 15.000,- € pro Stellplatz rechnen. Bei einem flächigen Betonabtrag kommt eher die Obergrenze zum Tragen. Neben der Kostenproblematik rückt die Dauer der Instandsetzung in den Fokus, da gerade in der Großstadt München keine Ausweichmöglichkeiten auf der Straße vorhanden sind.

Frage Dr. Schachinger an Dr. Lay:
Sie haben 2006 Ihre Promotion auf dem Gebiet des Lebenszyklusmanagements von chloridbeaufschlagten Stahlbetonbauteilen abgeschlossen. Konnten Sie dies in der Praxis bei Tiefgaragen bereits umsetzen?

Antwort Dr. Lay:
Ja, wir wenden das Werkzeug der Lebensdauerbemessung seit nunmehr 10 Jahren regelmäßig an, um bedarfsgerechte Instandsetzungsplanungen zu entwickeln. Wesentlich ist hierbei, welche Anforderungen an die Restnutzungsdauer gestellt werden. Je höher die Anforderungen an die Restnutzungsdauer oder das gewünschte bzw. erforderliche Sicherheitsniveau, desto höher ist der Instandsetzungsaufwand. Die neue RILI-SIB fordert nun ja sogar explizit solche Nachweise.

Als Beispiel sei hier das Parkhaus der Universität Wuppertal genannt. Dieses Fallbeispiel haben wir schon vor einigen Jahren in der renommierten Fachzeitschrift Beton- und Stahlbetonbau, Heft 3, 2008 publiziert. Der Bauherr strebte damals eine Restnutzungsdauer von 25 Jahren an. Danach sollte die Tiefgarage abgerissen werden. Die Tiefgarage war extrem stark mit Tausalzen (Chloriden) belastet. Eine Korrosion hatte bereichsweise begonnen und auch schon zu Schäden an der Bewehrung (Lochfraß) geführt. Auf weiten Flächen lag aber auch erst eine Tausalzbelastung ohne bisherige Korrosion vor. Genau um diese Flächen geht es. Ziel war es den Betonersatz maßgeschneidert zu begrenzen. Das heißt, es sollte nicht der gesamte mit Tausalz belastete Beton ersetzt werden.

Das Konzept bestand darin, einen Bereich mit heutiger Korrosion durch Untersuchungen aufzufinden und hier einen Betonersatz durchzuführen. Entscheidend war und ist aber, was auf der übrigen Fläche passiert. Hier kam nun die Lebensdauerprognose ins Spiel. Man kann mit solchen Berechnungen vorhersagen, wo man in Zukunft eine Korrosion erwartet, wenn man dort Tausalze im Beton belässt und dort nur überbeschichtet. Ziel ist es, dass der Flächenanteil, wo durch eingesperrtes Tausalz zukünftig eine Korrosion auftritt, auf ein akzeptables Maß begrenzt wird.

Das Ergebnis sind Betonersatzpläne: Diese Pläne enthalten Flächen mit heutiger Korrosion und solche, wo während der gewünschten Restnutzungsdauer auch eine Korrosion zu erwarten ist. Hier muss der Beton ersetzt werden. Auf der übrigen Fläche muss man nur beschichten und kann das Tausalz im Beton belassen. Dort wird es zwar innerhalb der Restnutzungsdauer zur Korrosion kommen, aber auf ein vorher festgelegtes und tolerierbares Maß beschränkt. Dies geschieht stets in Absprache mit dem Statiker unter Betrachtung der Auswirkungen auf die Gebrauchstauglichkeit und/oder Standsicherheit.

 

 

Anmerkung S. Haase:
Herr Dr. Lay, das ist sehr eindrucksvoll und wahrscheinlich für jeden Betreiber einer Parkgarage – auch wirtschaftlich – von größtem Interesse. Das Einsparpotential belief sich bei dem Fallbeispiel bestimmt auf einen 7stelligen Betrag. Für mich als Verwalter von Wohnungseigentum sind generationenübergreifende Lebensnutzungsdauern von Interesse, so dass ein Abriss nicht in Frage kommt. Aus meiner Sicht verschafft mir das Ingenieurmodell mehr Planungssicherheit bei der Rücklagenbildung und kann je nach Zustand vor allem erhebliche Kosten einsparen.


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